Das Qingdaoer Nachtleben hat nicht den besten Ruf unter partyverwoehnten Auslaendern. Ich versteh das nicht - aber ich brauch ja auch keine Disco. Was gibt es denn besseres als nachts in netter Gesellschaft am Ozean spazieren zu gehen? Vor allem wenn dann der Morgen graut und man bei diesiger Sicht und warmen Regen der in die Brandung faellt in der Ferne die Fischerboote am Horizont sieht.
Als ich um 7:30h zu Hause ankam hat meine Gastmutter, die gerade aufgestanden ist, mich auch schon freundlich begruesst. Gleichzeitig hat sie aber auch den Kopf geschuettelt. Als ich damals ausgezogen bin, hatte ich mir doch eigentlich gerade die Freiheit erkauft, niemandem mehr fuer naechtliche Ausfluege Rechenschaft schuldig zu sein - und jetzt das. Auf der anderen Seite wurde mir dann um 14:00h Mittagessen serviert - das macht einiges wieder wett. Den Luxus eines warmen Mittagessens, habe ich mir quasi mit meiner Freihheit erkauft. Welch eine Ironie - Luxus statt Freiheit, das Motto der chinesischen Mittelschicht.
Gestern nacht habe ich ausserdem von einem BWLer und gebuehrtigen Brandenburger gehoert, dass das DDR-Regime mit dem Satz "Unglaublich dass Menschen wie Sie mal ein Land regiert haben" am Ende von "Das Leben der Anderen" ganz treffend charakterisiert worden sei. Aehnliches gilt wohl auch in China. Chinesische Fremdenfreundlichkeit ist naemlich nur eine Seite der Olympiamedaille - nicht selten werden kleine Gruppen von Menschen naemlich von zwilichtigen Gestalten beobachtet und verfolgt. Laestig genug, das spitzt sich dann manchmal zu, dass man ausgefragt wird, oder sogar weggeschickt wird und "nach Hause" gehen soll. Eine wurde auch schon mal in einem Gespraech zu politischen Aussagen gedraengt.
Da die beiden Schergen, die uns gestern nacht Gesellschaft geleistet haben aber schon voll waren, und wir auch kein Englisch verstehen wollten, war die Sache schnell abgehakt. So schlecht wie die Spitzel ihre Arbeit machen, kriegen die wohl auch nicht viel Geld. Ich glaube dennoch nicht, dass man als Auslaender ernsthaft Probleme bekommen koennte - es geht wohl mehr darum, dass der Buergermeister die Touristen kennenlernen will und offensichtlich zu schuechtern ist um selber loszuziehen.
Hier gibt es erst einmal einen Link auf ein nettes, patriotisches Video:
http://www.youtube.com/watch?v=DWbPS6Fq_TQ
Es handelt sich dabei um ein Lied, das wohl 2 mal pro Stunde auf den LCD-Monitoren der Stadtbusse gezeigt wurde - bis sie es durch Olympiadauersendungen ersetzt haben. Hintergrund ist das schwere Erdbeeben in China. Ich verstehe leider auch kein Wort, dafür lerne ich gerade ein chinesischen Popsong für Karaoke am Sonntag :D
Heute gab es darüberhinaus noch etwas besonderes: Ich habe spontan drei 20-minütige Englisch-Einheiten für Kindergartenkinder übernommen. Wenn ich nicht mit Warten insgesamt 5 Stunden für die ganze Sache gebraucht hätte, könnte ich sagen, dass es echt witzig war. Der Kindergarten lag ein wenig außerhalb und so habe ich mal ein ein wenig einfacheres Stadtbild zu Gesicht bekommen. Gemauerte Häuser in engen Gassen, im Hintergrund der Laoshan, ma - ler - isch. Und einige dort haben zum ersten Mal einen Ausländer zu Gesicht bekommen heißt es - 3 dreijährige haben sich auch vor mir gefürchtet und nicht getraut mich anzugucken. Aber ich habe zum Glück nicht alle zum Weinen gebracht.
Ein huebsches Bild gemalt von englisch lernenden Kindern an der Schule - "working is enjoyable and glorious" mein Reden! Darueberhinaus war ich ein wenig in Qingdaos Einkaufszone unterwegs - da tummeln sich praktisch 24 Stunden am Tag kauflustige Asiaten und Auslaender, denn wenn es dunkel wird macht der Nachtmarkt auf.
Hier gibt es alle moeglichen guten und schlechten Faelschungen von Markenprodukten, die auch in Deutschland verkauft werden. Produziert wird alles natuerlich in China, hier bekommt man garantiert keine Importware und ein paar Schnaeppchen sind auch dabei. Allerdings ist so ein Markt fuer einen Shopping-Diletanten wie mich eigentlich viel zu viel, noch einmal muss ich da auch gar nicht hin, hab jetzt ja alles gesehen.
Es gab aber auch einen Ausflug auf einen kleinen Huegel mitten im Zentrum, zu sehen ist der grosse zentrale Strand in Qingdao - einer von sechs Straenden. Morgen werde ich wieder einen ausprobieren. Trotz umfangreicher Bemuehungen steht der Erfolg der Entalgung uebrigens immernoch auf der Kippe - waere wirklich eine Schande fuer Qingdao, wenn die olympischen Segler hier nicht antreten koennten. Und das nur wegen - ja weswegen eigentlich? Woher kommen die Algen? Globale Erwaermung? Der Taifun? Oder wie der Buergermeister erst scharfsinnig analysierte: Warmes und feuchtes Klima? Abwasserentsorgung koennte ein Grund sein, aber das sind Spekulationen.
Jedenfalls stinkt es noch ein wenig am Strand, man muss schon ein wenig rausschwimmen, um in den Genuss des Meeres zu kommen. Beim Rueckweg zum Strand schmiert man sich dann wieder voll mit gruener Gruetze....
Hier ein Ausblick auf die untegehende Sonne vor diesigem Himmel ueber der Alstadt Qingdaos.
Und zuletzt das Ergebnis meiner ersten Tabu-Bruch-Aktion. Dieses Anwesen hoher Offizieller der Marine darf naemlich gar nicht fotografiert werden. Bei meinem ersten Versuch winkte ein Soldat ab, waehrend ein anderer sich schon auf den Weg zu mir machte, um gegebenenfalls das Foto wieder zu loeschen. Ja soviel Muehe macht man sich, man zerstoert nicht etwa einfach die Kamera.
Zu dem Zeitpunkt, als ich das Foto machte war allerdings nur ein Soldat auf seinem Posten, deswegen war die Aktion letztlich gar nicht so spannend, aber das Gebauede vor dem Huegel mit diesem riesigen Vorgarten darf bei meinen Fotos nicht fehlen. Manchmal sieht man im Vorgarten ein Marinecorps marschieren, oder eine Schaar uniformierter Gaertner herumwuseln.